Ich bin im 83. Lebensjahr, aber noch nie konnte ich, mit beiden oder einem Ohr, normal hören.
Durch eine schwere Mittelohrvereiterung mit Operation 1941 (kriegsbedingt), hing mein Leben an einem “seidenen Faden”. Sogar vom Kriegsdienst mit Front-Einsatz war ich befreit. Mein rechtes Ohr war taub und die rechte Gesichtshälfte blieb gefühlslos, sodaß ich monatelang täglich zum Elektrisieren in die HNO-Praxis mußte.

Mein jetziger HNO-Arzt hat die teilweise Lähmung auch jetzt noch festgestellt. Auch mein Allgemein-Zustand war sehr schlecht, darum mußte ich den Besuch der Höheren Schule abmelden und ein Berufswunsch wurde unmöglich.

Hören konnte ich nur auf dem linken Ohr und die Hörleistung war mal besser, mal schlechter, hinzu kam schon damals noch ein starkes Rauschen. So blieb es bis 1981, als ich auf dem linken Ohr einen Hörsturz erlitt.
Mein -auch jetzt noch- HNO-Arzt überwies mich in das Krankenhaus Westend. Es wurde das Fehlen des Amboß festgestellt (Verlust durch die schwere Operation) und durch einen künstlichen ersetzt. Dadurch wurde das rechte Ohr zwar das bessere Ohr, aber verlassen konnte ich mich darauf nicht.

Mit pünktlicher Regelmäßigkeit mußte ich 1987, 1988, 1989 und 1990 ins Krankenhaus und auch noch dazwischen mußte ich unregelmäßig beim HNO-Arzt an den Tropf. So gingen die Jahre dahin, mit immer den neusten Hörgeräten, zum Teil mit Zuzahlungen. Dann hatte mein Hörakustiker einen guten Rat: ich soll einmal ins Krankenhaus Friedrichshain gehen und mich vorstellen. Nach mehreren Untersuchungen wurde “grünes Licht” gegeben. Erste Bedingung war, daß der Hörnerv noch intakt ist. Er war es, obwohl ich seit 30 Jahren auf diesem linken Ohr nicht mehr gehört habe!

Mitte November 2010 wurde ich dann in der HNO-Klinik Friedrichshain operiert. Nach einer Heilungszeit begann dann die Therapie mit dem neuen Gerät (cochlear implant). Die ersten Wochen war der Computer mit der Therapeutin mein erster Ansprechpartner. Die Therapeutin sagte mir, daß ich Geduld haben muß, es kann Monate dauern, bis ich einigermaßen zufrieden bin.

Mit jeder Übungsstunde konnte ich große Fortschritte erkennen, wir waren dann beide überrascht, wie schnell es vorwärts ging. Ich bin zufrieden und erfreut, daß ich mich im normalen Leben gut verständigen kann, Probleme habe ich dann, wenn das Umfeld mehr oder weniger geräuschvoll ist.
Das Telefon ist z. Z. mein größter Widersacher, aber dies werde ich auch noch hinbekommen.

Ich kann nur jedem meiner Leidensgenossen, auch in weniger aussichtsreicher Situation, raten, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, es lohnt sich (fast) immer, ich bin ein gutes Beispiel dafür.

Autor: Günter Wieland 23. Juli 2011